Ein Welpe zieht bei uns ein

„Ihr holt euch aber schon wieder einen Hund, oder?“

Es waren turbulente Wochen voller Freuden- und Trauertränen, doch die Welt drehte sich einfach weiter und der Wind wehte genau wie zuvor. Als wäre nie etwas passiert, obwohl für uns kurzzeitig die Welt stehen geblieben schien. Und dann kam die Frage, die uns zum Umdenken brachte- aus unserem engsten Umfeld. Der Gedanke an einen anderen Hund schien im ersten Moment so weit weg wie nichts Anderes auf der Welt und doch ließ er uns trotz all dem Schmerz nicht mehr los. Was ist, wenn die Frage gar nicht so makaber ist, wie sie scheint? Neben all dem Schmerz und der Trauer einem kleinen Lebewesen weiterhin jede Menge Liebe zu schenken, war eine wunderbare Vorstellung und wir diskutierten, welcher Hund zu uns passen würde. Fredo war wunderbar, doch einen Hund zu wählen, der ihm zu ähnlich ist, empfanden wir als nicht richtig. Wir wollten nicht in unserer Trauer unbewusst Vergleiche ziehen, die uns zum Einen Fredo weder zurück bringen, noch gerecht einem anderen Hund gegenüber wären. Ein Ersatz ist der falsche Weg. Ich bleibe fest davon überzeugt, dass kein Platz im Herzen ersetzt werden kann, sondern es an jedem Menschen selbst liegt, sein Herz neuen Eindrücken, Menschen oder Tieren zu öffnen. Stärke entsteht in der Fähigkeit, einen neuen Herzensplatz zu erschaffen, indem man sich öffnet nach Verlusten. Und so begannen wir jeden Abend vor dem Einschlafen die Suche nach dem für uns passenden Hund. Wir waren uns einig- der Hund muss uns bereits beim bloßen Anblick berühren und wir suchten und weinten und suchten weiter und irgendwann sahen wir sie- eine kleine Bordercollie- Hündin mit einem geringen Anteil Australian Shepherd. Verschmitzt und frech lächelte sie nahezu in die Kamera auf dem ersten Foto, das wir von ihr sahen. Ihre zuckersüßen Sommersprossen um die Nase betrachtet und es war um uns geschehen. Sandro rief die Familie an, welche die Welpen anbot und wir konnten bereits am darauf folgenden Wochenende das kleine Mädchen kennen lernen und abholen, wenn wir uns tatsächlich für sie entscheiden sollten. Wir schauten uns ihr Bild an und dachten darüber nach, welcher Name gut zu ihr passen würde. Es sollte kein typischer Hundename werden, den man an jeder Ecke hört. „Was hältst du eigentlich von „Ayla“?“, fragte mich Sandro. Ein sehr schöner türkischer Vorname, der mir so nie eingefallen wäre, doch die Bedeutung berührte mich sehr. Er steht für das Mondlicht. Es erhellt dunkle Nächte und so erhellt sie auch unsere dunklen Stunden und tut es hoffentlich noch viele Jahre. 

Wir brachen auf in Richtung Magdeburg, um unseren Mondschein kennenzulernen. Dort angekommen, begrüßten uns drei bildhübsche Welpen, die mein Mamaherz zum strahlen brachten und am liebsten hätte ich allen direkt ein Zuhause gegeben. Ayla war von Beginn an ein zurückhaltender Hund. Während ihre Geschwister auf uns zustürmten und uns beschnupperten, kam sie schüchtern und langsam auf uns zu und schnupperte vorsichtig. Sie war in Realität noch schöner als auf Fotos. Auch die Elterntiere durften wir sehen. Ihre Mutter „Ellie“, eine reinrassige Bordercollie-Hündin war ebenso zurückhaltend und höflich wie sie, während ihr Vater „Max“ der Inbegriff eines Wirbelwindes war. „Max“ ist ein Bordercollie- Australian Shepherd-Mischling und fast vollständig pechschwarz. Unsere Entscheidung bestätigte sich schnell, sie noch am gleichen Tag mit nach Hause zu nehmen. Auch die Besitzerin hatte den Eindruck, dass wir gut zu Ayla passen. Und so saß die kleine Maus einige Stunden später in unserem Auto.

Um sie von Anfang an daran zu gewöhnen, im LKW zu schlafen, entschieden wir uns, die Nacht nicht in unserer Wohnung, sondern dort zu verbringen und fuhren an einen besonderen Ort. Es war der Ort, an dem wir uns näher kennen gelernt haben, als wir nach einer gemeinsamen Schicht in einer Bar die ganze Nacht im Van über Gott und die Welt geredet haben. Aber wir kommen vom Thema ab… 😀

Auf besagtem Parkplatz klappten wir die Treppe aus und führten Ayla in den Wohnkoffer. Da die Stufen offen sind, stieg sie nur zögerlich und ängstlich hinauf, legte sich jedoch schnell in Fredos Korb. Da ich mich unmöglich von Fredos Sachen trennen konnte, beschlossen wir, diese für Ayla weiter zu verwenden, um unersetzbare Erinnerungen mit neuen zu verknüpfen. Nach einer kleinen Gassirunde durch den nahe gelegenen Wald war es Zeit fürs Bett. Der kleine Welpe war ebenfalls sichtlich kaputt von der Fahrt. Schließlich ist die kleine Ayla noch nie zuvor so lange unterwegs gewesen. Die Frage, ob unser Welpe genau wie Fredo mit im Bett schlafen darf, stellte sich für uns gar nicht. Zu sehr lieben wir beide einen weichen Kuschelpartner, der uns morgens das Gesicht ableckt und über uns drüber klettert. So verbrachte auch klein Ayla ihre erste Nacht mit uns im Hochbett vom LKW. Die Wärme ließ ihre Atemfrequenz steigen, doch sie schlief sehr friedlich und ein Gefühl von Neuanfang lag in der Luft.

Punkt 06:00 Uhr morgens war es vorbei mit der Ruhe, denn unser kleiner Collie wollte beschäftigt werden. Aylas Schüchternheit vom Vortag war verflogen, denn sie weckte uns liebevoll, wenn auch etwas unsanft, indem sie über unsere Körper kletterte und Küsschen über das ganze Gesicht verteilte. Manch einer mag sagen, dass man zum glücklich sein keinen Hund braucht, doch wir wissen, dass unser Leben erst durch einen Hund vervollständigt wurde. Hunde zeigen uns, wie wunderschön das Leben sein kann, indem sie sich über die kleinsten Dinge freuen, die wir Menschen gar nicht mehr wahrnehmen. Wir vermissen unseren Fredo jeden Tag, doch trotzdem ist da das Gefühl tiefer Dankbarkeit. Dafür, dass wir trauern und lieben dürfen. Herzlich Willkommen, kleine Ayla!